NDR Kultur

2022-10-09 12:33:34 By : Ms. yoyo lei

Es gibt einen neuen Beauftragten für Jüdisches Leben in Mecklenburg-Vorpommern. Seit zwei Jahren gibt es diese Stelle bereits, jetzt wurde sie neu besetzt von dem 60-jährigen Nikolaus Voss.

 Einen Beauftragten für jüdisches Leben gibt es in Mecklenburg-Vorpommern seit gut zweieinhalb Jahren. Jetzt im Februar übernahm Nikolaus Voss dieses Amt. Der 60-jährige war bis zur Regierungsbildung im vergangenen Jahr rund 13 Jahre lang Staatssekretär im Sozialministerium. Als ihn Ministerpräsidentin Manuela Schwesig fragte, welche Aufgabe er sich künftig vorstellen könnte, brachte sich Nikolaus Voss selbst ins Gespräch als Beauftragter für jüdisches Leben, verriet der dem NDR.

In der DDR aufgewachsen, fand Nikolaus Voss mit der friedlichen Revolution 1989 den Weg zur SPD, war in Mecklenburg-Vorpommern die folgenden rund drei Jahrzehnte in der Partei aktiv und stieg in der Landesregierung bis zum Staatssekretär auf. Jetzt ist er also Beauftragter für jüdisches Leben: "Wenn man einmal bedenkt, dass ich als Neunjähriger den Kniefall von Willy Brandt im Warschauer Ghetto gesehen habe und davon berührt war, dass meine Eltern vor dem West-Fernseher in Tränen ausbrachen. Wenn man weiß, dass ich in der evangelischen Jugendarbeit während der Paddel-Rüsten gelegentlich an der Gedenkstätte des Konzentrationslagers in Ravensbrück vorbeikam und daher dann immer ausgestiegen bin. Wenn man weiß, dass ich Theologie studiert habe, dann ist, glaube ich, ausreichend Hintergrund vorhanden, um zu erklären, was mich an dieser Aufgabe gereizt hat."

Der 60-jährige hat sich zunächst drei Schwerpunkte gesetzt. Er möchte, dass die Verbrechen des Holocaust nicht in Vergessenheit geraten, nur weil die Zeitzeugen sterben. Zudem sollen die Jugendlichen von heute über das jüdische Leben, eben auch in Mecklenburg und Vorpommern, Bescheid wissen. Und es gibt noch einen dritten Schwerpunkt, erklärt Nikolaus Voss: "Antisemitismus hat ja viele Ausprägungsformen. Gerade der militante Antisemitismus ist eine Form, mit dem man strafrechtlich gut umgehen kann. Aber es gibt einen subtilen, nahezu unbemerkten Antisemitismus, beispielsweise auf den Schulhöfen. Und ich möchte gerne diesen Antisemitismus dekodieren und ins Bewusstsein der Lehrerinnen und Lehrer heben, damit sie damit umgehen können."

Ganz aktuell ist ein großes Problem hinzugekommen - der Krieg in der Ukraine. Der Großteil der hierzulande lebenden Jüdinnen und Juden stammt ursprünglich aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Sie sind vor Jahren selbst emigriert. Jetzt wollen die Juden hier den Flüchtlingen helfen, betont der Vorsitzende des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden, Valeriy Bunimov. "Jetzt kommt diese Welle von Flüchtlingen. Es kommen nicht nur jüdische Flüchtlinge, es kommen auch andere. Und unsere Aufgabe als Landesverband ist es, dass wir Allen helfen. Das ist unsere moralische Pflicht. Und vielleicht können wir beim nächsten Treffen mit Nikolaus Voss diese Fragen besprechen." Es sei schwierig zu klären, in welchem Bereich sie Hilfe anbieten könnten. Der jüdische Landesverband helfe derzeit in der Ausländerbehörde, erklärt Bunimov. "Unsere Leute sind dort als Dolmetscher eingesetzt, weil die ukrainischen Flüchtlinge nicht so gut Deutsch sprechen."

Landesrabbiner Yuriy Kadnykov fordert angesichts der aktuellen Herausforderungen, dass der Beauftragte für jüdisches Leben künftig nicht mehr im Ehrenamt arbeiten sollte: "Wir brauchen, wie auch in anderen Bundesländern, ein Hauptamt, damit diese Person immer zur Verfügung ist. Grade wegen der aktuellen Kriegssituation in der Ukraine. Viele Flüchtlinge kommen, darunter auch jüdische Menschen und da muss man schnell eingreifen. Mit einem Ehrenamt passiert das auch, aber wenn jemand hauptamtlich da ist, kann man schnell einige Fragen lösen. Und da brauchen wir dann eine solchen kurzen Draht zum Beauftragten für Jüdisches Leben."

Und noch ein weiteres konkretes Problem spricht der Landesrabbiner an: "Wir müssen nicht vergessen, dass es viele Fragen gibt, die auf Bundesebene gelöst werden müssen. Zum Beispiel die Fragen der Renten für die Menschen, die aus der ehemaligen Sowjetunion kamen. Diese sind immer noch nicht geklärt. Der Zentralrat spricht mit der Bundesregierung. Und ein Beauftragter kann diese Sorgen und Probleme auch zu unserer Landesregierung tragen, damit dann die Landesregierung ihre Probleme auf Bundesebene darstellen kann." Rentenfragen, Kriegs-Flüchtlinge, Antisemitismus, Sicherheitsfragen in den Gemeindezentren in Schwerin und Rostock  - für den neuen Beauftragten für jüdisches Leben, Nikolaus Voss, gibt es offensichtlich mehr als genug Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern - aktuell und in Zukunft.

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