Christoph Ingenhoven: Der Architekt über sein Konzept von Heimat - DER SPIEGEL

2022-10-09 12:37:15 By : Mr. Jackey Zhou

Christoph Ingenhoven, 57: Der Düsseldorfer Architekt erhielt für den Wolkenkratzer 1 Bligh in Sydney den Internationalen Hochhauspreis. Derzeit wird der Stuttgarter Hauptbahnhof (S21) nach Ingenhovens Plänen umgesetzt.

Wir arbeiten seit 15 Jahren auf der ganzen Welt und haben zwei Grundsätze: Wir versuchen erstens, "radical green" zu bauen. Zweitens bemühen wir uns, in einem Gebäude ein Heimatgefühl zu schaffen. Ich überlege mir: Was wäre auf dem Grundstück, wenn ich da nicht bauen würden? Weil ich der Erde etwas wegnehme, ist der erste Gedanke, ihr etwas wiederzugeben. Durch Begrünung, durch Vermehrung von öffentlichem Raum. Unsere Haltung ist: "No energy, no waste, no emission." Es hilft, wenn wir auf emittierende Materialien verzichten und biologisch korrekte Materialien verwenden. Holz zum Beispiel. Das ist, wenn man es anfasst, warm. Und es ist olfaktorisch angenehm. Vielleicht gibt es sogar eine Metaebene: Schimpansen leben auf Bäumen, wir werden auch auf Bäumen gelebt haben. Ich glaube, Menschen wollen nicht ohne Luft, Licht und öffnenden Blick sein.

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Lassen Sie uns das auf Singapur übertragen, wo wir gerade das größte Haus des Stadtstaats bauen, mit über 400.000 Quadratmetern Büro- und Wohnfläche: Wir sehen solche Gebäude als Überlebensmodell für dicht besiedelte Städte. Schon heute leben 50 Prozent der Weltbevölkerung in Megacitys, bald werden es 70 Prozent sein. Dieses Wachstum müssen wir organisieren. Ohne Hochhäuser geht das nicht. Und wir hoffen, dass sich die Menschen dort wohlfühlen, weil wir ihnen eine Heimat bauen.

Christoph Ingenhovens Gebäude: Nachhaltig schön

Heimat ist immer etwas, das man sehen und fühlen kann. Ich möchte nirgends leben, wo ich "in der dritten Straße rechts im fünften Haus links" wohne und wo alles gleichmäßig und unspezifisch ist. Sucht man sich in der Natur ein Plätzchen, ist das auch eher unter einem Baum. Am Strand schaffen sich Menschen Heimat, indem sie ein Handtuch hinlegen. Man würde sich auch immer an einem Hügel niederlassen, damit man runtergucken kann und etwas im Rücken hat, das ist psychologisch wichtig und das Ergebnis von Millionen Jahren menschlicher Entwicklung, die in jeder Faser unseres Körpers steckt.

Marina One in Singapur: Die vier Hochhäuser mit einem riesigen Park gelten als gelungenes Beispiel für verdichtetes Wohnen. Sie bieten Platz für 30.000 Menschen. Das Projekt wird auf dem World Architecture Festival in Berlin vom 15. bis 17. November präsentiert

Bei dem Projekt in Singapur, das aus vier zusammenstehenden Hochhäusern besteht, haben wir eine gemeinsame Mitte geschaffen, die aus Grünraum besteht. Vorgeschrieben ist es, dass bei einem Neubau 25 Prozent Grünraum entsteht, wir haben stattdessen 125 Prozent erkämpft. In diesem Stadtteil von Singapur wird in den nächsten Jahren viel gebaut werden - deshalb haben wir nach einer starken inneren Identität gesucht. Ich glaube, dass zu wenig Heimatbildung betrieben wird.

Ein Positivbeispiel ist der Central Park in New York. Dort einen Park stehen zu lassen war genial! Es wurde ein sozialer, politischer und öffentlicher Raum, und die ganze Stadt definiert sich darüber, wie weit weg etwas vom Central Park liegt. Wenn ich Leute frage, ob sie mir ein Haus nennen können an einer schönen Straße, etwa den Champs-Élysées, passiert immer dasselbe: Niemand kann sich an ein einzelnes Gebäude erinnern. Die Straße ist der Star. Architektur wird überschätzt, öffentlicher Raum ist heimatbildend.

Christoph Ingenhoven, 57: Der Düsseldorfer Architekt erhielt für den Wolkenkratzer 1 Bligh in Sydney den Internationalen Hochhauspreis. Derzeit wird der Stuttgarter Hauptbahnhof (S21) nach Ingenhovens Plänen umgesetzt.

Für den Büroturm 1 Bligh in Sydney wurde Chistoph Ingenhoven 2012 mit dem Internationalen Hochhauspreis ausgezeichnet.

Herzstück des Büroturms ist das Atrium mit acht Glasaufzügen.

Von der Dachterrasse im 28. Stock hat man freie Sicht auf die berühmte Harbor Bridge.

Chistoph Ingehoven kann nicht nur schön bauen, sondern auch nachhaltig. Er zählt zu den führenden Architekten für ökologische Architektur.

Der Glasturm des 1 Bligh ist der erste mit einer Doppelfassade in Australien.

Der Stuttgarter Hauptbahnhof ist ein weiteres Projekt von Ingenhovens Büro.

Die Computergrafik zeigt den Turm des Stuttgarter Hauptbahnhofs nach der Tieferlegung durch das Projekt "Stuttgart 21".

Das 1922 von Paul Bonatz und Friedrich Eugen Scholer erbaute Bahnhofsgebäude steht unter Denkmalschutz und wird erhalten bleiben.

Das Licht für den achtgleisigen unterirdischen Durchgangsbahnhof soll einmal durch mehr als 20 Lichtaugen fallen.

Das Projekt Marina One in Singapur ist ein weiteres Großprojekt des Düsseldorfers. Es besteht aus zwei Bürotürmen, zwei Wohnhäusern, zwei Parks und Ladenflächen

Die vier Hochhäuser gelten als gelungenes Beispiel für verdichtetes Wohnen. Sie bieten Platz für 30.000 Menschen.

Das Projekt wird auf dem World Architecture Festival in Berlin vom 15. bis 17. November präsentiert.

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